Seit einem Jahr keine Müllexporte mehr nach China – Was geschieht mit Deutschlands Plastikmüll?

Plastik der ganzen Welt_gepresste Plastikflaschen©pixabay- Hans Braxmeier

Hätten Sie das gedacht? Nach dem chinesischen Importstopp seit Januar 2018 wurde deutscher Plastikmüll dennoch weiter nach China exportiert. Zwar nicht direkt, aber über andere Länder Südostasiens. Sie brachten die Plastikabfälle dann doch wieder nach China. Zahlen des Statischen Bundesamtes zufolge exportierte Deutschland fast 107.000 Tonnen Altkunststoffe allein von Januar bis September 2018 nach Malaysia. Von dort gingen sie weiter nach China.

Plastikmüll als Wirtschaftsgut

Bei meiner Recherche zu diesem Artikel wurde mir wieder deutlich wie sehr Müll ein Wirtschaftsgut ist und seine globalen Handelswege hat. Laut dem Magazins des Umweltbundesamts (1/2018, S.24) hat Deutschland 2016 insgesamt 760.000 Tonnen Plastikmüll nach China und Hongkong verschifft.
Bis vor einem Jahr war alles ganz einfach. Alle Seiten haben profitiert. Die gemischten Plastikreste wurden grob sortiert als gepresste Ballen oder Granulat, nach China verschifft. Dort wurden sie recycelt und fanden in neuen Produkte den Weg zurück nach Deutschland. Eigentlich ein perfekter Kreislauf. Doch trotz zertifizierter Recyclinganlagen in China wurde ein beträchtlicher Teil der Plastikabfälle verbrannt oder deponiert. Da der Plastikmüll oft stark verschmutzt oder schlecht sortiert war. Das verärgerte die chinesischen Abnehmer immer mehr. Vor einem Jahr war dann Schluss für den Plastikmüll aus aller Welt. Die Regierung Chinas wolle so die Umwelt und die Gesundheit der Menschen schützen, schrieb sie der Welthandelsorganisation (WTO).

Aber ehrlich gesagt, wen von uns hat das alles wirklich interessiert. „Aus den Augen, aus dem Sinn.“ Wir haben brav unseren Plastikmüll getrennt, mehr können wir ja eh nicht tun. Wobei ich auch von Leuten weiß, die dem Braten nicht trauten und gleich alles in eine Tonne warfen. Erst seit die Medien wieder und wieder, sehr intensiv über die Verschmutzung der Meere berichten, in den sozialen Medien Fotos von verendeten Tiere voller Plastik verbreitet werden, fragen sich immer mehr Menschen, was getan werden muss. Und zwar auf allen Ebenen.

Welche konkreten Auswirkungen hat das chinesische Einfuhrverbot?

Laut Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft gelangten 2018 schätzungsweise nur noch 16.000 Tonnen nach China. Doch es wurden mit Malaysia, Indonesien, Vietnam oder Thailand Alternativen gefunden. Allerdings haben diese Länder genug Probleme mit dem eigenen Plastikmüll. Und auch sie überlegen keine dreckigen Plastikabfälle mehr anzunehmen. Vietnam hat schon ein temporäres Einfuhrverbot verhängt. Also steigen die Exportmengen in Richtung Osteuropa, beispielsweise in die Tschechische Republik, nach Bulgarien oder Polen. Solange es noch Abnehmer gibt, die für den Müll zahlen, scheint es keinen Handlungszwang vor Ort zu geben.

Die Niederlande größter Abnehmer für Kunststoffabfälle aus Deutschland in der EU

Das zeigt sich auch im Geschäft mit den Niederlanden. Sie importierten im letzten Jahr fast 90.000 Tonnen Plastikmüll aus Deutschland. Das niederländische Recycling- und Plastikunternehmen TCR Plastics fungiert als Zwischenhändler für die Exporte nach China. Sie verkaufen wieder aufbereitete Kunststoffabfälle, sogenannte Rezyklate zur Wiederverwertung nach China. Die aufbereitenden Betriebe stellen aus Plastikabfall also ein Zwischenprodukt her, das am Ende wieder in China landet. Aber zumindest ist der Müll jetzt schon fertig für die Verarbeitung zu neuem Plastik. Der bis dahin eingeführte Plastikmüll wurde, wenn es gut ging aufwendig nach verwertbarem durchsucht, sortiert und vielleicht aufbereitet. Aber oft eben auch nur verbrannt oder deponiert. Wobei Chemikalien in die Gewässer gelangten und die Luft verpestet wurde. China war deshalb nicht mehr bereit die „Müllkippe der Welt“ zu sein. Es will jetzt sein eigenes Kreislaufsystem aufbauen.

Bis 2030 etwa 111 Millionen Tonnen Plastikmüll  in der Umwelt

Eine Studie der US-amerikanischen University of Georgia hat die weltweiten Folgen des chinesischen Einfuhrverbots für Plastikabfälle untersucht. Sie besagt, das sich das Problem mit dem Plastikmüll noch verschlimmern wird. Wenn weiterhin soviel schlecht recycelbares Plastik produziert wird, gelangen bis 2030 etwa 111 Millionen Tonnen Plastikmüll in die Umwelt. Denn 89% der bisherigen weltweiten Exporte nach China bestehen aus Polymergruppen. Diese verwenden die Hersteller häufig in Verpackungen für den einmaligen Gebrauch (Polyethylen, Polypropylen und Polyethylenterephthalat).

Andere Forscher fanden heraus, dass die Industrie seit der Entwicklung von Plastik in den frühen 1950er-Jahren 8,3 Milliarden Tonnen Kunststoffe erzeugt hat. 6,3 Milliarden Tonnen davon sind schon längst Abfall. Nur neun Prozent dieser Plastikabfälle wurden recycelt, 12 Prozent verbrannt und 79 Prozent landeten auf Deponien oder in der Natur (4-12 Millionen Tonnen davon in den Ozeanen).
Es ist also ein weltweites Problem, das auch einer globalen Lösung bedarf, um die Menge an nicht recycelbaren Materialien zu reduzieren, Produkte umzugestalten und die Plastikabfälle wieder verwertbar zu machen. Oder einfach weniger herzustellen?

Plastik-der-ganzen-Welt_GrafikWas geschieht nun mit dem deutschen Plastikmüll?

Welche Möglichkeiten bleiben übrig, wenn es irgendwann vielleicht doch keinen Abnehmer für die Kunststoffabfälle gibt? Recyceln, verbrennen oder deponieren.
Die Recycling-Unternehmen in Deutschland werden sich etwas einfallen lassen. Denn an der Wiederverwertung unseres eigenen Plastikmülls führt kein Weg vorbei. Die EU-Kommission hat eine Kunststoffstrategie entwickelt, deren Ziel es ist, die Entstehung von Plastikmüll zu begrenzen: Alle Kunststoffverpackungen auf dem EU-Markt sollen ab 2030 recyclingfähig sein. Die EU hat u.a. deshalb ab 2021 ein Verbot für bestimmte Einweg-Plastik-Produkte ausgesprochen. Ein richtiger Schritt, aber mit Schwächen wie der NABU beschreibt. Denn irgendwie ist es für mich ein Tanz um den heißen Brei.

Auch das neue deutsche Verpackungsgesetz schreibt vor, noch mehr Kunststoffabfälle zu recyceln. Die Recyclingquote für Kunststoffe sieht laut Gesetzt bis 2022 eine stufenweise Erhöhung auf 63 Prozent vor. So werden also noch größere Mengen Plastikmüll anfallen.

Es gibt verschiedene Ideen wie mit den Plastikabfällen umgegangen werden soll:

  • recyclingfähiges Design/Standards für die Wiederverwertung schaffen – sortenreine Verpackungen, lassen sich schon jetzt gut trennen und recyceln
  • Verpflichtende Quoten an die Industrie für den Einsatz von „Sekundärstoffen“ (recycelter Plastikmüll)
  • Wirtschaftliche Anreize für mehr Recycling-Material schaffen (steuerliche Begünstigung für Unternehmen, die vermehrt Recycling-Rohstoffe verarbeiten)
  • ein Pfand auf Getränkeverpackungen und Plastikflaschen
  • Verteuerung von Kunststoff
  • Vermeidung von Plastikabfällen

Wir werden sehen ob eine höhere Recyclingquote dazu führt, dass sich Deutschland selbst um die Wiederverwertung seines Plastikmülls kümmert. Denn bisher führen ja leider noch immer viele Wege ins Ausland und gar nach China.

Ist Vermeidung überhaupt möglich?

Ich frage mich, ob eine entschiedene und spürbare Vermeidung von Plastikabfällen überhaupt möglich ist? Wo Plastik doch überall gegenwärtig ist? Welche Bedingungen wären notwendig, um zukünftig eine beträchtliche Reduzierung zu erreichen? Allein die Idee als Konsument, so gut wie keinen Abfall mehr zu produzieren, die in der „Zero-Waste-Bewegung“ ihren Ausdruck findet, kann nicht die einzige Möglichkeit sein. Dabei lastet die Verantwortung allein auf den Schultern der Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Industrie, Handel und Politik sind da fein raus.
Da werde ich mich wohl auf die Suche begeben müssen, ob es schon solidere Vorstellungen oder gar umgesetzte Pläne nachhaltiger Abfallvermeidung anderswo gibt.

Überarbeitet: 20.02.2019

2 Kommentare zu "Seit einem Jahr keine Müllexporte mehr nach China – Was geschieht mit Deutschlands Plastikmüll?"

  1. Wohindamit.de | 23. September 2019 um 13:17 |

    Hallo Herr Cotti,

    vielen Dank. Sicher haben die verschiedenen Wirtschaftssysteme ihre Schwächen, aber ob es in einer Planwirtschaft, was das Plastik angeht, anders aussehen würde, ist nicht zwingend gesagt. Denn es sind letztendlich immer Menschen, die die Systeme schaffen. Vielleicht müssen wir da ansetzten, an der Bildung auf allen Ebenen. Intellektuelles Wissen ist ebenso wichtig wie emotionale und soziale Kompetenz.
    Da wir als einzelne, normale Menschenkinder recht selten den großen Blick über Wirtschaft und Politik haben, (zudem dies oft Mogelpackungen sind) plädieren wir von wohindamit.de dafür, sich selbst immer weiter zu entwickeln und dazu zu lernen. Sich zu informieren, miteinander im Gespräch zu bleiben und da wo wir aktiv etwas bewirken können auch gemeinsam zu handeln.
    Das mag vielleicht nach Rückzug und Fatalität klingen. Doch wir sind der Meinung, dass genau das Gegenteil bewirkt werden kann, wenn jede und jeder Einzelne wirklich handelt und nicht nur redet oder sich darauf verlässt, das irgendwer es schon ändern wird. Veränderung braucht immer einen ersten Schritt.

  2. Norbert Cotti | 21. September 2019 um 17:53 |

    Nur der weitgehende Verzicht auf Plastik wird helfen! Und der ist nicht durchsetzbar im Kapitalismus. Keine Chance.

    Danke für die gute Recherche.

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